Autismus: Fakten (Definition und Beschreibung nach WHO)

Autismus – Fakten

Definition und Beschreibung nach WHO

In den aktuell in Deutschland noch geltenden Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ ICD-10 wird Autismus (unter F.84) als medizinische Diagnose den „tiefgreifenden Entwicklungsstörungen“ zugeordnet.

Wegen der Vielfalt und Unterschiedlichkeit in Art und Ausprägung des Auftretens autistischer Symptome, werden diese heute im Rahmen der diagnostischen Abklärung einem „Spektrum“ zugeordnet, das den medizinischen Fachbegriff  Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) trägt.

Die Bezeichnung „Spektrum“ ist das Bemühen der großen Bandbreite an Symptomen und typischen Besonderheiten sowie den unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten, aber auch den Beeinträchtigungen, die die jeweiligen Menschen mit einer ASS aufweisen können, gerecht zu werden.

Trotz der Verwendung des diagnostischen Oberbegriffes einer Autismus-Spektrum Störung (ASS) werden derzeit im Rahmen der klinischen Diagnosestellung nach wie vor  folgende Formen einer ASS unterschieden:

 Frühkindlicher Autismus : (Erstbeschreibung durch Leo Kanner)

Zentrale Merkmale: 

  • Auftreten der Symptomatik  in den ersten 3 Lebensjahren
  • Besonderheiten im Kontaktverhalten in der Beziehung zu anderen Menschen
  • Besonderheiten Auffälligkeiten in der verbalen und non-verbalen Kommunikation
  • Gleichförmigkeiten und Stereotypien in Bewegung, Spiel, Verhalten und bei Interessen

 

Asperger-Syndrom: (Erstbeschreibung durch Hans Asperger)

  • Zentrale Merkmale: 
  • wesentlicher Unterschied zu frühkindlichen Autismus
  • Keine verzögerte Sprachentwicklung
  • Keine Beeinträchtigung der Kognition

Sonstige Kennzeichen wie frühkindlicher Autismus, insbesondere:

  • Soziale Verhaltensbesonderheiten
  • Interaktions- und Kommunikationsbesonderheiten
  •  Ausgeprägte Sonderinteressen
  • Repetitives, ritualisiertes und/oder zwanghaftes Verhalten
  • Motorische Ungeschicklichkeiten
  • Mangelnde, praktische Handlunbgskompetenzen    

Atypischer Autismus:

Unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus und/oder vom Asperger-Syndrom entweder durch das Alter bei Störungsbeginn (z.B. erste Symptome treten später nach 3. Lebensjahr auf) oder dadurch, dass die diagnostischen Kriterien nicht in allen Bereichen der Kernsymptomatik erfüllt werden                                        

Die drei vorrangig genannten Formen des Autismus-Spektrums unterscheiden sich im Wesentlichen in ihrem unterschiedlichen Grad der Betroffenheit (Schweregrad der Ausprägung der Kernsymptomatik) und durch eventuell hinzukommende, zusätzliche Beeinträchtigungen (Komorbiditäten) mit anderen neurologischen Beeinträchtigungen (z.B. Anfallsleiden, cerebrale Bewegungsstörungen, geistige Entwicklungsstörung, u.a.) und/oder seelischen Erkrankungen (z.B. Phobien, Zwänge, Angststörung, Psychosen, u.a.) und/oder  anderen Begleitproblematiken (z.B. Fremd- und/oder Autoaggression, Ess- und Schlafstörungen, u.a.)  

 

Autismus Spektrum – die Kernsymptomatik

Ungeachtet dessen, ob wir übergeordnet von einer Autismus-Spektrum-Störung, oder von einer Zuordnung nach einer bestimmten Form sprechen, zeigt sich die zentrale Kernsymptomatik von Autismus in folgenden Bereichen auf besondere Weise:

Besonderheiten der sozialen Interaktion:

  • Fehlendes oder  mangelndes Verständnis für soziale/emtionale Signale
  • Missdeuten oder Nichtverstehen sozialer Situationen und Kontexte
  • Schwach ausgeprägte soziale Aufmerksamkeit auf soziale Kontexte – Fokus auf unwesentliche Details
  • Ungewöhnliches Spiel- und Beschäftigungsverhalten; lässt nicht gerne Spielhandlungen mit Anderen  zu
  • Probleme bei der Perspektivübernahme „Theory of Mind“ , d.h. nicht wissen und beachten was der/die Andere denkt, fühlt und beabsichtigt

 

 Besonderheiten  der Kommunikation:

  • Keine oder beeinträchtigte (entwicklungsverzögerte) Lautsprache;
  • Besonderheiten der Lautsprache wie z.B. Echolalie
  • Gute Sprachentwicklung, dennoch Schwierigkeiten ein Gespräch in Wechselseitigkeit  zu führen
  • Wörtliches Verstehen und Interpretieren – „gesagtes – gemeintes „
  • Nicht-Beachtung kommunikativer Spielregeln
  • Nicht Beachtung non-verbaler Kommunikationsanteile und sozialer Kontakte
  • Das offene Aussprechen von Gedanken
  • Bestehen auf eigenen Themen    

 

Besondere Interessen und repetitive Verhaltensweisen „Stimming“ :

  • Einseitige, repetitive Beschäftigungsvorlieben (motorische Manierismen;  an Materialien und/oder bestimmten Texturen) und/oder  Interessen an bestimmten Themen und Inhalten (Spezialinteressen)
  • Kanalisierung auf ein Interesse – Ausschluss anderer Aktivitäten
  • Häufig eher mechanische, manipulative, repetitive und selbststimulierende, als zweckgerichtete Beschäftigung
  • Häufig zwanghaftes Verhalten und bestehen auf Routinen und Ritualen; Ängste vor Wechsel und Veränderungen

 

Besonderheiten der Wahrnehmungsverarbeitung  

Probleme mit Reizfilter: Reizaufnahme und –verarbeitung findet ohne Filterung statt

Überempfindlichkeiten in allen sensorischen Bereichen „Insense World Theory“

Unterempfindlichkeiten in allen sensorischen Bereichen

  • Besonderheiten bei der Eigenwahrnehmung (Propriozeption)
  • Probleme bei der sensorischen Integration
  • Besonderheiten in der Schmerempfindlichkeit (Über- oder Unterempflindlichkeit kann vorliegen)
  • Synästhesieprobleme (Überlagerung von Sinnesreizen bei der Reizverarbeitung)
  • Visuelle /auditive Detailfokussierung – schwache zentrale Kohärenz
  • „Farbenblindheit“ für soziale und emotionale Reize (u.a. Probleme bei der Gesichtererkennung)
  • Besonderheiten im Bereich der Exekutivfunktionen (u.a. Handlungsplanung, Impulssteuerung)